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Die "Brandtskapelle" in Mönchengladbach

Neben Flurkreuzen und Heiligenhäuschen finden sich vielerorts auch Kapellen, die oft nicht nur als Ausdruck der Volksfrömmigkeit gelten. Vielmehr erinnern sie an Lebensbedingungen aus der Vergangenheit, die für heutige Menschen aus dem Blick geraten sind. Stellvertretend dafür sei die Aloysius Kapelle genannt, die sich an der Rudolfstraße 5 im Mönchengladbacher Stadtteil Waldhausen befindet. Mit ihr beginnen wir eine Reihe, in der wir in loser Folge Kapellen in der Region vorstellen.

Der Mönchengladbacher Unternehmer/Fabrikant Franz Brandts ließ die dem heiligen Aloysius geweihte Kapelle anlässlich des 1889 an Tuberkulose verstorbenen Sohnes Rudolf bauen; sie wurde 1886 eingeweiht.

In seiner Baumwollmanufaktur versuchte Franz Brandts, im Gegensatz zu vielen anderen Fabrikanten, nach Möglichkeiten, für die negativen Folgen der freien Marktwirtschaft (ausgeprägte Armut der Arbeiterschaft) Verantwortung zu übernehmen. Er teilte das Gedankengut der gesellschaftlichen Strömung des „sozialen Katholizismus“ und wurde dessen Galionsfigur in Mönchengladbach. Dies zeigte sich unter anderem darin, dass er höhere Löhne bei geringerer Arbeitszeit zahlte. In seinem Textilunternehmen arbeitete er als erster Unternehmer mit mechanischen Webstühlen und gestattete als fortschrittlicher Produzent seinen Arbeitern Mitbestimmung in betrieblichen Angelegenheiten. Außerdem führte er unter anderem eine eigene Krankenversicherung und eine Darlehenskasse ein; er ließ Wohnungen bauen, die die Arbeiter zu einem guten Preis erwerben konnten. Der Mönchengladbacher Unternehmer legte somit Grundsteine für die Institutionalisierung von Betriebsräten und die Einführung der Krankenversicherung.

Als einer der ersten Unternehmer hat Franz Brandts in der eigenen Fabrik eine sogenannte „Kinderbewahrschule“ in eigenen Fabrikräumen eingerichtet. Diese organisierte Beaufsichtigung der jüngeren Kinder sollte deren Verwahrlosung entgegenwirken, während ihre Mütter arbeiteten. Aus der Verantwortung für die Bildung der weiblichen Arbeiterschaft entstanden Näh- und Haushaltsschulen, die nach Beilegung des Kulturkampfes durch den Einsatz von Ordensfrauen einen Aufschwung erlebten.

Franz Brandts rief am 24.10.1890 zusammen mit einem Geistlichen und Zentrumspolitikern den Volksverein (für das Katholische Deutschland) ins Leben. Ziel war es, die Kenntnisse der Menschen über zeitgenössische, christlich-soziale Inhalte zu erhöhen. Einerseits entwickelte sich der Volksverein zu einer Unterstützungsinstitution für „kleine Leute“, die Fragen zur Sozialgesetzgebung oder Behördenprobleme hatten. Andererseits wurde im Volksverein eine bedeutende wissenschaftliche und organisatorische Arbeit geleistet, gefördert durch die große, hauseigene sozialwissenschaftliche Bibliothek. 1933 erfolgte die Auflösung des Volksvereins infolge Insolvenz; die Stadtbibliothek Mönchengladbach übernahm die Werke aus der beachtlichen Bibliothek.

An diese Tradition der christlichen Sozialarbeit knüpfte 1983 der Volksverein Mönchengladbach an, mit dem Ziel, arbeitslos gewordene Menschen zu unterstützen und in eine Weiterbeschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Näheres sowie Infos zu Produkten und Dienstleistungen erfahren Sie auf der Homepage des Vereins unter https://www.volksverein.de . Gründungsgesellschafter war unter anderem der bekannte und geschätzte Priester Edmund Erlemann, dessen Grab in der Gruft der Brandtskapelle zu finden ist.

Nebenbei bemerkt: In der Brandtskapelle, Rudolfstr. 5, in Mönchengladbach, findet sonntagabends um 17:30 Uhr ein Gottesdienst statt.

Ute Hölter