Das Verfahren der Selig- und Heiligsprechung (Kanonisierung) im Überblick
Anfang des Monats November haben die Gläubigen der Heiligen in der katholischen Kirche gedacht. Um Heiliger oder Heilige zu werden, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, die im Rahmen eines Verfahrens überprüft werden. An dessen erfolgreichem Ende steht dann die Heiligsprechung. Zu den bekanntesten Persönlichkeiten, die in der jüngeren Vergangenheit heiliggesprochen wurden, zählen zweifelsohne Mutter Teresa und Papst Johannes Paul II.
Weniger bekannt dagegen ist, dass Papst Johannes Paul II. 1983 das Selig- und Heiligsprechungsverfahren neu ordnete. Er strukturierte den gesamten Prozess in drei Abschnitte:
- ein bischöfliches Ermittlungsverfahren, um einen bestimmten Menschen die Bezeichnung „heilige…“ oder „heiliger …“ zuzuerkennen;
- im Anschluss daran eine reglementierte Vorgehensweise zur Seligsprechung im Vatikan. Zusätzlich bestimmte Papst Benedikt XVI 2005, dass die Zuständigkeit wieder beim Präfekten der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungsprozesse liegt, wie es bis 1975 üblich war;
- formale Vorgaben zur Heiligsprechung durch den Papst
Geschichtliche Entwicklung
In urchristlicher Zeit trafen sich die Gläubigen am Todestag der/des Heiligen an dessen Grab, um Eucharistie zu feiern. Diese Gedenkfeiern verlegte man in den unsicheren Zeiten der Völkerwanderung in die Kirchen. Weil es auch Glaubensvorbilder gab, die nicht heiliggesprochen waren, aber dennoch ihr Grab in einer Kirche erhalten sollten, musste man Kriterien zur Unterscheidung finden – so entstand die Seligsprechung.
Alsdann entwickelte sich ein neues Dilemma: Welche priesterliche Amtsperson durfte die Heiligsprechung vornehmen? Etwa ab dem 10. Jahrhundert stand folgendes fest: Eine Seligsprechung bezieht sich auf einen Ort oder eine Region, in der die Person gewirkt hat und kann vom zuständigen Bischof vorgenommen werden, während der Papst fortan die Heiligsprechungen vornimmt. (Als erster Kandidat wurde übrigens Ulrich von Augsburg, Patron der Dülkener St. Ulrich-Kirche, 993 n. Chr. heiliggesprochen.)
Die Praxis des Kanonisierungsverfahrens
Die Entscheidung, einen Menschen heiligzusprechen, geht immer von seinen Mitmenschen aus. Sie beurteilen aufgrund ihrer bemerkenswerten Erfahrungen und ihrer Menschenkenntnis, ob ihm der Ehrentitel „heilige/r“ zuerkannt werden soll. Formal beauftragen sie als ersten Schritt den Bischof, in dessen Diözese der Kandidat gestorben ist, mit der Einleitung des Verfahrens. Die nicht unerheblichen Kosten des Verfahrens müssen auch von dieser Diözese übernommen werden.
Der Bischof leitet frühestens fünf Jahre nach dem Tod den Antrag weiter an die Kongregation für Selig- und Heiligsprechungsprozesse, die eine Reihe von Prüfungen vornimmt. Sollte die Kandidatin/der Kandidat einen Märtyrertod gestorben sein, ist eine grundlegende Bedingung bereits erfüllt. Andernfalls wird recherchiert, ob er/sie im Leben eine Wunderheilung bewirkt hat; Ärzte müssen bestätigen, dass die Heilung auf wissenschaftlichem Wege nicht erklärt werden kann.
Stimmt die Kongregation dem Antrag zu, nimmt der Papst formal die Heiligsprechung vor. Dies geschieht im Rahmen eines Gottesdienstes unter Zuhilfenahme eines verbindlich abgefassten Wortlauts. Abschließend erhält die/der neue Heilige einen Platz auf der Liste der katholischen Seligen und Heiligen.
Zwei Kanonisierungsverfahren im Vergleich
Sowohl Mutter Theresa als auch Papst Johannes Paul II sind recht früh nach ihrem Tod heiliggesprochen worden. Erstere starb 1997, wurde 2003 selig- und 2016 (durch Papst Johannes II) heiliggesprochen. Letzterer schaffte es in noch kürzerer Zeit: Sterbejahr 2005, Seligsprechung in 2011 und Kanonisierung in 2014. Das liegt auch darin begründet, dass die zwingend notwendigen Wunder sich einstellten: 2008 erkannte man die nicht medizinisch zu begründende Heilung eines Brasilianers mit Gehirntumor als Wunder an; er hatte inständig um die Fürsprache Mutter Teresas gebeten. Die Genesung einer französischen Nonne von der Parkinson-Krankheit auf die Fürsprache von Papst Johannes Paul galt ebenfalls als Wunder.
Nichtsdestotrotz erhoben sich auch kritische Stimmen. So wirft man der hl. Mutter Teresa vor, für den Mangel an medizinischer Betreuung und Fürsorge ihrer Heimbewohner verantwortlich gewesen zu sein. Der hl. Johannes Paul II. soll den amerikanischen Erzbischof Theodore Mc Carrick zum Kardinal ernannt haben, obwohl Gerüchte wegen sexuellen Fehlverhaltens existierten. Schlussendlich hat sich in beiden Fällen die Meinung des Volkes durchgesetzt, die bei Johannes Paul II schon bei seiner Beisetzung die Heiligsprechung mit den Worten forderte: „Subito santo“.
Ute Hölter